Psalm 46

Praktische Gedanken  zu  Psalm 46

 Einleitung 

Die "Selah's" unterteilen diesen Psalm einfach erkennbar in drei Abschnitte. 1. Gott als Zuflucht und Hilfe in stürmischen Zeiten (V. 1-4). 2. Der Segen von Gottes Gegenwart in der Mitte Seines Volkes (V. 5-8). 3. Die großen Taten Gottes zu Seiner Verherrlichung und zur Rettung Seines Volkes (V. 9-12). Prophetisch spricht dieser Psalm von der Situation des jüdischen Überrestes, wenn der Herr gekommen sein wird, um auf dem Ölberg zu stehen, aber die Feinde noch nicht vollständig besiegt sind. Einerseits blicken sie zurück und sehen, was Gott für sie war und ist, als sie in der vollen Bedrängnis der Drangsal Jakobs waren (V. 1-4), dann betrachten sie die Segnungen, die mit dem Wohnen Gottes, ihres Herrn, im Heiligtum und damit in ihrer Mitte verbunden sind (V. 5-8), auch wenn die Nationen eine letzte Anstrengung gegen den Herrn und Sein Volk unternehmen werden (V. 7). Schließlich (V. 9-11) sehen wir den endgültigen Sieg, der alle Kriege beenden und jeden Feind unterwerfen wird. Der Psalm schliesst mit zwei lehrreichen Versen. Erstens wird Gott auf der ganzen Erde verherrlicht werden und zweitens ist das Volk Gottes durch Seine Gegenwart und Seinen Schutz gesegnet (V. 11-12).
 

Der Zufluchtsort für den Gläubigen in der Bedrängnis  (V. 2- 5) 

Neben der prophetischen Auslegung finden wir in diesem Psalm natürlich auch viel Trost für die Gläubigen heute. Wer kennt nicht den schönen Vers am Anfang: "Gott ist uns Zuflucht und Stärke, eine Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen". Nicht in angenehmen Tagen, sondern inmitten der Bedrängnis hat der Psalmist die Erfahrung der Hilfe Gottes gemacht. Wir dürfen wissen, dass Gott in jeder Situation unser Helfer ist. In jedem Sturm will Er unser Zufluchtsort sein, unsere Felsnische, und Er beweist in der Tat, dass Er das ist. In den Psalmen wird das sehr oft zum Ausdruck gebracht (32,7; 62,8-9; 91,2; und viele mehr). Niemand und nichts kann einen Gläubigen von diesem persönlichen Ort der Geborgenheit, der Gemeinschaft und der Liebe mit unserem Gott entfernen. Wir können das im Leben von Paulus, von Josef, von David und von vielen anderen in ihren jeweiligen Prüfungen verfolgen. Außerdem ist Gott unsere Stärke. In den sehr schwierigen Umständen der Verse 3-4, ist dennoch dieser Ort der Stärke zu finden. Jesaja 40 lehrt uns, dass wir Gott vertrauen müssen, um diese Kraft praktisch zugänglich zu machen. Manchmal muss Er uns jede mögliche Hilfe außerhalb von Ihm wegnehmen, um uns an den Punkt zu bringen, dass wir uns NUR auf IHN verlassen - und darin finden wir Kraft. Vielleicht nicht, um aktiv für die Wahrheit zu kämpfen, wie wir es uns wünschen würden; auch nicht für das, was ohnehin nicht Gottes Wille für uns ist; sondern vielmehr, damit wir den Weg im Glauben weitergehen. Damit unser Glaube nicht versagt. Damit wir ruhig und zuversichtlich in der Kluft der Zuflucht bei unserem Herrn bleiben. Lasst mich folgendes nennen: Eine Hilfe - wenn wir einmal im Himmel sind und zurückblicken, werden wir erkennen, dass die größte Hilfe, die Gott seinen Kindern gegeben hat, darin bestand, in den Schwierigkeiten auszuharren und treu zu bleiben. Eine Hilfe - Er stärkt unseren Glauben. Eine Hilfe - Er gibt Weisheit für den Weg des Glaubens. Eine Hilfe - Er schenkt Freude und Frieden in Seiner Gegenwart.


 Die Erprobungen (V. 3b-4) 

In den Versen 3-4 stehen die Erprobungen vor uns, in denen der Gläubige Seinen Gott als seine Hilfe erfahren darf - Erfahrungen, die das Vertrauen in die Treue und Liebe Gottes stärken, die in der Tat die Furcht beseitigen (1. Joh 4,18a), die uns so leicht ergreift, wenn wir die überwältigenden Wellen und Winde um uns herum sehen (vgl. Mk. 4,36-41; 6,45-51). Diese Verse sind eine Beschreibung der kommenden Unruhen, die jede Ordnung und Stabilität auf der Erde umstürzen werden. Die Wellen des Meeres - die ungezügelte Menschheit - werden jede gottgegebene Ordnung und Regierung beseitigen und der vollen Entfaltung aller Ungerechtigkeit - den tosenden und schäumenden Wellen - Platz machen. Spuren davon sehen wir schon heute, und das vor allem in der bekennenden Christenheit, wie Judas vor langer Zeit vorausgesagt hat (Judas 13). Wenn wir diese Verse auf unsere Zeit anwenden, sehen wir dann nicht, dass im Blick auf die menschliche Verantwortung unsere natürlichen Lebensgrundlagen auf der Erde bedroht sind, dass die Herrscher dieser Welt am Ende ihrer Weisheit sind und immer hilfloser werden, und dass ihre Lösungen bestenfalls unwirksam sind? Wer weiß denn wirklich, wie man mit den zunehmenden wirtschaftlichen und ökologischen Problemen dieser Tage umgehen soll? Wer kann die Wellen der Korruption und Unmoral in Gesellschaft und Wirtschaft aufgrund der Abkehr von Gott aufhalten? Aber gibt es nicht auch zahllose Probleme im persönlichen Leben der Gläubigen? In ihren Beziehungen? In den örtlichen Versammlungen? In den Versammlungen weltweit? Wir sehen eine zunehmende Weltlichkeit und ein Ersetzen des Wortes Gottes durch menschliche Weisheit oder Psychologie, um Probleme zu lösen. Wir befürchten, dass ein ernsthafter Mangel an geistlichem Verständnis im Wort der Wahrheit durch menschliche Intelligenz und Gefühle ersetzt wird. Wir nehmen wahr, dass die Versammlungen in Gefahr sind, nicht mehr wie ein Organismus (ein Leib) zu funktionieren, sondern sich wie ein System zu organisieren und zu handeln. Gibt es nicht Grund genug, sich Sorgen zu machen? Ja, in der Tat - und doch hat der Gläubige einen sicheren Zufluchtsort, wo er Kraft und Trost findet und alle seine Sorgen ablegen kann! Es gibt einen Beistand und eine Hilfe, die reichlich gefunden wird! Wenden wir uns stets und ständig an unsere Zuflucht (Hebr. 4,16). Geben wir diesen Ort der Sicherheit, der Kraft, der Hilfe und der Gemeinschaft mit dem Herrn niemals auf. Und denken wir daran, dass Paulus im römischen Gefängnis, als er von allen in Asien verlassen und allein vor dem Kaiser stand, sagen konnte: "Aber der Herr stand mir bei und stärkte mich" (2.Tim. 4,17). Deshalb können wir uns immer und in jeder Situation an unseren Herrn wenden, der uns liebt.


 Der Segen der Gegenwart Gottes in der Mitte Seines Volkes und als Festung für den einzelnen Gläubigen (Verse 5-8) 

Aber da ist noch mehr. Wir dürfen uns zu Gott wenden, um Zuflucht und Hilfe zu finden, aber auch Er möchte sich "uns zuwenden", um bei uns zu sein. Hier in Psalm 46,5-8 finden wir zwei Aspekte. Erstens in Verbindung mit dem Haus Gottes, dem Ort des Zusammenkommens (V. 4-5). Zweitens, im Blick auf den einzelnen Gläubigen (V. 8). Wir haben bis jetzt die ungestümen Wasser der Welt gesehen. Nun wendet sich der Psalmist in Vers 5 einem Wasser von ganz anderer Beschaffenheit und Ursprung zu. Es ist Gottes Wasser und bringt Segen und Freude und wird hier in Verbindung mit dem Haus Gottes, dem Tempel in Jerusalem gesehen. Vorausschauend sieht der Überrest der Juden die Stadt Jerusalem und den zukünftigen Tempel unter der Herrschaft und dem Segen des Messias. Als Christen haben wir auch einen Ort, der das Haus oder der Tempel Gottes genannt wird. Es ist die Versammlung des lebendigen Gottes. Natürlich ist die Versammlung als das Haus Gottes kein materielles, sondern ein geistliches Haus. Es wird praktisch verwirklicht, indem wir uns zum Namen des Herrn Jesus versammeln. Gott hat immer einen Fluss. Er stellt bildlich das dar, was Gott durch den Heiligen Geist wirkt, um Sein Volk zu segnen. Das war im Garten Eden so und wird im irdischen Jerusalem im 1000jährigen Reich so sein (Hes. 47,1-12) und ebenfalls in der zukünftigen himmlischen Stadt (Offb. 22,1-2). Auch in Johannes 7,38 spricht der Herr von "Strömen lebendigen Wassers, die aus dem Leib" des Gläubigen fließen. Da ist es eine persönliche Segnung. In all diesen Fällen liegt die Quelle des Wassers des Segens in Gott, niemals in den Gläubigen selbst! Wir sind nur Kanäle, die von Gott zum Nutzen anderer eingesetzt werden! Doch hier in Psalm 46 ist der Gedanke nicht so sehr, dass die Stadt ein Kanal des Segens ist, sondern dass sie selbst gesegnet ist. Die Stadt Jerusalem wird in den Genuss des Segens Gottes kommen. Sie wird dann selbst zu einem Kanal Gottes werden, um die ganze Erde zu segnen und zu heilen! Das gilt auch für jede örtliche Versammlung! Gott möchte Sein Volk, das sich zum Namen des Herrn Jesus versammelt, segnen, und - in einem zweiten Schritt - es zum Segen für andere und für die Welt machen. In der Praxis können wir uns an diesem göttlichen Segen erfreuen, wenn wir uns in aller Schlichtheit zum Namen des Herrn versammeln und mit abhängigen und demütigen Herzen nur auf Ihn schauen und auf die Führung und das Wirken des Heiligen Geistes, um zu segnen. Dann werden wir den "Strom - seine Bäche erfreuen die Stadt Gottes, das Heiligtum der Wohnungen des Höchsten" erleben. Menschliche Anordnung und Organisation oder die Einmischung des religiösen Fleisches werden diesen "Strom" nur austrocknen. Hüten wir uns davor, mit gut gemeinten menschlichen Aktivitäten, Schwachheit, Pausen und andere Dinge, die Unbehagen oder sogar Verlegenheit hervorrufen können, zu überdecken. Lasst uns geduldig und abhängig sein und auf das Wirken des Heiligen Geistes warten, um ein Lied, ein Gebet, ein Wort des Trostes oder der Belehrung hervorzubringen. Der Psalmist gibt uns im Folgenden eine Beschreibung des Ortes, an dem Gott Seinen Segen ausschütten will. Wenn wir diese Ausdrücke betrachten, werden wir praktische Anweisungen erhalten für den Ort, an dem wir uns als Versammlung versammeln.

 

Eine Stadt Gottes: Gottes Ort und Gottes Ordnung (V. 5a) 

Zunächst einmal wird es die Stadt Gottes genannt. Gott hat Jerusalem immer als Seine Stadt beansprucht. Es ist die Stadt des großen Königs (Ps. 48,3). Israeliten lebten dort, aber der Ort gehörte Gott. So ist es auch mit dem Platz des Zusammenkommens heute. Die Gläubigen kommen zusammen (1. Kor. 11,20; 14,26), aber es ist letztlich der Herr Jesus, der sie versammelt (Mt. 18,20 "versammelt sind"). Außerdem gehört der Ort dem Herrn, nicht den Menschen! Es ist Seine Versammlung (Mt. 16,18). Er ist "Sohn über Sein eigenes Haus" (Hebr. 3,6). Er ist "in ihrer Mitte", das Zentrum (Mt. 18,20). Er muss in Wirklichkeit bei allem, was in der Versammlung getan oder gesagt wird, das Haupt sein. Alles muss von Ihm ausgehen, unter der Leitung des Heiligen Geistes. Menschliche Ideen, Anordnungen oder Einmischungen um den Ort attraktiver zu machen oder Probleme zu lösen, werden den Charakter des Ortes des Zusammenkommens zum Namen des Herrn Jesus zerstören. Wie schnell entgleitet uns diese wichtige Wahrheit. Dann ist es auch eine Stadt Gottes. Das spricht von Ordnung und Verwaltung (nicht von Organisation!). Diese Ordnung und Verwaltung muss Gott gemäss sein, basierend auf dem Wort Gottes, niemals gemäss den Ideen und Vorstellungen von Menschen. Die örtliche Versammlung ist ein Ort, an dem die gottgemässe Ordnung aufrechterhalten wird und nichts Böses oder Unrechtes geduldet wird. Zur Verwaltung dieser Ordnung hat der Herr ihr Autorität gegeben (Mt. 18,18). Die Ausübung dieser Autorität liegt in der Verantwortung aller Versammelten die am Brotbrechen teilnehmen (Brüder und Schwestern!), nicht nur eines Klerus oder einer Gruppe von Brüdern. Einige haben mehr, andere weniger praktische Verantwortung, aber die Verantwortung wird von allen gemeinsam ausgeübt. Paulus schreibt an alle Gläubigen in Korinth: "beurteilt ihr, was ich sage" und "diese Strafe, die von den Vielen ist" (1. Kor. 10,15; 2. Kor. 2,6) Böses, dass offenbar geworden ist darf nicht ertragen werden. Aber oft ist Geduld nötig, bis eine Sache sich klar zeigt. Schwachheit dagegen müssen wir tragen (1. Thes. 5,14-16; Kol. 3,13; Eph. 4,2). Sünde und Schwachheit darf nicht verwechselt werden! Ebenfalls dürfen wir andere nicht vorschnell beschuldigen, gesündigt zu haben, wenn ihr Verhalten nicht makellos ist, besonders dann, wenn wir persönlich betroffen sind. Im Brief an die Korinther finden wir viel über die richtige Ordnung in der Versammlung (1. Kor. 14,40; 14,33). In Psalm 122,5 lernen wir etwas über die Regierung der Stadt Gottes. Dort sind Throne aufgerichtet, und zwar die Throne des Hauses Davids. Der König David und Sein Thron weisen auf den Herrn Jesus und Seine zukünftige Regierung in Jerusalem hin. Alles wird dann IHM entsprechen! In der gleichen Weise muss jede Verwaltungshandlung, die in der Versammlung ausgeübt wird, gemäss dem Herrn Jesus sein. Bildlich gesprochen müssen es die Throne des Hauses des Herrn Jesus sein. Nicht die Throne eines oder mehrerer Brüder oder die Throne einer Familie. Wir haben zwar Verantwortung, aber wir verwalten sie für IHN. Wehe uns, wenn wir Throne von Menschen haben. Es gibt eine ernste Warnung in Jesaja 48,18: "Ach, hättet ihr doch auf meine Gebote geachtet! Dann wäre euer Friede gewesen wie ein Strom und eure Gerechtigkeit wie die Wogen des Meeres". Wenn es in unseren Versammlungen Unfrieden gibt, könnte es dann nicht daran liegen, dass wir die Ordnung nach menschlichen Maßstäben und mit menschlichen Mitteln aufrechterhalten wollen? Oder, dass eine Gruppe von Gläubigen allen anderen ihre Vorstellungen aufzwingt? Der Herr wird niemals zulassen, dass es auf diesem Weg Frieden gibt. Er wird niemals zulassen, dass der Mensch Seinen Platz einnimmt. Wir werden unter den Folgen eines solchen Weges leiden. Machen wir uns in dieser Sache nichts vor! Er ist ein Gott des Friedens, und wenn wir Seine Anweisungen befolgen und Seinen Geboten gehorchen, dann wird das zum Frieden führen (1.Kor. 14,33). Das ist Seine Verheißung (Jes. 48,18). 


Ein Heiligtum und eine Wohnung Gottes: Hinzutreten und Gemeinschaft (V. 5b) 

Als nächstes lernen wir, dass dieser Platz ein Heiligtum für Gott ist. Ja, mehr noch, "ein Heiligtum der Wohnungen des Höchsten". Es ist ein heiliger Ort, an dem wir Gott nahen dürfen und an dem Er in seiner Gnade und Liebe wohnen und sich offenbaren will. Auf der einen Seite ist dies natürlich der Himmel selbst, wo wir jederzeit Zugang zum Thron der Gnade haben (Hebr. 4,16). Aber auch die Versammlung Gottes ist das Haus Gottes. (1. Petr. 2,5a). Sie wird als ein heiliger Tempel im Herrn bezeichnet und als Wohnung Gottes im Geist aufgebaut in der jetzigen Zeit (Eph. 2,21-22). Wenn wir uns als Versammlung zum Namen des Herrn Jesus hin versammeln, geben wir dieser Wahrheit den einzig möglichen praktischen Ausdruck auf der Erde und stellen so den Tempel, das Haus Gottes, dar. Gleichzeitig sind wir gemeinsam in Gottes Gegenwart im Heiligtum (1.Petr. 2,5b) und der Herr wohnt in unserer Mitte. In der Tat ein unermessliches Vorrecht! Der Begriff Heiligtum weist also auf die Wahrheit hin, dass der Platz des Zusammenkommens nicht nur ein Ort ist, an dem wir von Gott gesegnet werden, sondern auch ein Ort, an dem wir in der Gegenwart Gottes sein können. Wir haben die Freiheit dazu aufgrund des vergossenen Blutes unseres Herrn Jesus Christus und weil Er sich im Himmel als grosser Hohepriester für uns verwendet, um uns auf dem Weg des Glaubens zu helfen, sodass wir in einem praktischen Zustand sind, um auch tatsächlich Gott zu nahen (Heb. 4,16; 7,25; 10,19-22; Eph. 2,18). Wo der Herr wohnt, muss naturgemäss alles Ihm entsprechen. So ist der Platz des Zusammenkommens ganz und gar als Heiligtum für Gott abgesondert, denn Heiligkeit geziemt Seinem Haus auf immerdar (Ps. 93,5). Das ist die erste praktische Anforderung an das geistliche Haus Gottes, d.h. an die örtliche Versammlung, die im Namen des Herrn versammelt ist. Dem Bösen, der Sünde, dem Fleisch und dem Egoismus darf kein Raum zur Entfaltung gegeben werden. Leider ist es unter unserer Verantwortung oft anders, so dass ein alter Bruder einmal äußerte: "Ist denn das Zusammenkommen der Heiligen der einzige Ort, an dem sich das Ich und das Fleisch uneingeschränkt entfalten können?" 


Die Wichtigkeit des Gebetstreffens 

Im Heiligtum kommen wir in Gottes Gegenwart mit Fürbitte und Anbetung. Das heißt, einerseits bringen wir unsere Bitten, unsere Bedürfnisse vor Gott, und Er erhört sie nach Seiner Weisheit und Liebe. Andererseits beten wir Gott an und haben Gemeinschaft mit Ihm. Oft wird gesagt, dass die Stunde des Brotbrechens die wichtigste Versammlungsstunde ist, weil dort unser Herr, der gestorben ist, vor unseren Herzen steht und wir an Ihn denken und mit Dank und Anbetung antworten. Genauso wichtig ist das Gebetstreffen. Dort schütten wir unsere Bitten mit Flehen und Danksagung vor dem Herrn aus. Dort bittet die Versammlung, die zusammengekommen ist, Gott um Weisheit, Gnade und Hilfe und erhält so die moralische Fähigkeit, um, falls nötig, im Namen des Herrn Autorität ausüben zu können. Brüderversammlungen können hilfreich sein, aber wenn wir die Gebetsversammlung vernachlässigen, haben wir keine Grundlage vor dem Herrn, um irgendeine Handlung der Autorität durchzuführen! Machen wir uns nichts vor! Gerade aus diesem Grund nennt der Herr die Gebetsversammlung als das zweite wichtige Merkmal der örtlichen Versammlung, wie wir in Matthäus 18,18-20 sehen. 


Das Vorrecht der Anbetung 

Wie bereits erwähnt, kommen wir im Heiligtum zusammen, um Gott unsere Anbetung zu bringen. Das ist natürlich ein höherer Boden. Wir werden das in alle Ewigkeit tun. Wir beten Gott "in Geist und Wahrheit" an (Joh. 4,23). "In Geist" bedeutet: der Charakter unserer Anbetung ist geistlich, nicht materiell (es ist das, was wir in unseren Herzen haben und in Gebeten und Liedern zum Ausdruck bringen) und unser Lob ist vom Geist Gottes geleitet. "In Wahrheit" bedeutet: unsere Anbetung gründet sich auf die volle Offenbarung Gottes als ewiger Vater, Sohn und Heiliger Geist und auf den Opfertod Jesu Christi (Joh. 4,23-24; Hebr. 13,15; 1. Petr. 2,5.). Das Zentrum des jüdischen Gottesdienstes war der Brandopferaltar. Der Mittelpunkt des christlichen Gottesdienstes ist das vollkommene Opfer Christi! Wenn wir versammelt sind, um Seiner zu gedenken und das Brot zu brechen betrachten wir Seine Person und Sein Werk. Dann steigt Dank, Lob und Anbetung zu unserem Gott und Vater empor, durch Christus, Seinen Sohn (1.Petr. 2,5). Es wird ein natürlicher Ausfluss sein von dem, was in unseren Herzen ist. Sollen wir dieses Zusammenkommen als Anbetungsstunde bezeichnen? Möge der Herr uns helfen, dass aus unseren Herzen Anbetung zu Ihm aufsteigt und so die Versammlungsstunde charakterisiert. Aber die Bibel spricht vom Zusammenkommen, um "Brot zu brechen" (Apg. 20,7), denn das Zentrum dieser Versammlungsstunde ist: "dies tut zu meinem Gedächtnis" (1. Kor. 11,24-25). Gott lässt sich herab, um an diesem Ort zu wohnen. Es ist der Ort, an dem der große, allmächtige Gott, der ewige Vater, einen Platz hat und sich "wohl" fühlt. Dort wohnt Er gern inmitten der Gläubigen durch Seinen Sohn (Mt. 18,20; Zeph. 3,17). Vergessen wir nicht, dass es sich um einen geistlichen Ort handelt, der einen geistlichen Charakter hat, nicht um einen materiellen Ort, der durch sichtbare Dinge gekennzeichnet ist. Natürlich verwirklichen wir das, indem wir uns an einem bestimmten Ort versammeln. Der Herr sagt: "da wo...". Und auch Paulus spricht von einer bestimmten Örtlichkeit (1. Kor. 11,20; 14,23). Aber das ändert nichts an dem geistlichen Charakter des "Platzes" des Zusammenkommens. Was für ein unermessliches Vorrecht. Welch ein unaussprechlicher Segen. Sind wir uns dessen bewusst? Was für eine Verantwortung, den wahren Charakter dieses Ortes zu bewahren, gemäß der Wahrheit der Bibel, der Heiligkeit und Liebe Gottes und gemäß der Offenbarung Gottes über Christus und seine Versammlung und den Ort des Zusammenkommens. 


Ein Ort, an dem der Herr in der Mitte ist (V. 6a) 

Wir haben gesehen, dass es Parallelen gibt zwischen der Beschreibung des materiellen Hauses Gottes in Psalm 46 und dem geistlichen Haus Gottes, das heisst, dem Zusammenkommen der Gläubigen an einem Ort. Erstens ist es ein Ort, an dem der Herr Autorität gegeben hat, um eine gottgemäss Ordnung zu verwalten (Mt. 18,18). Zweitens ist es ein Ort des Gebets, an dem wir gemeinsam unsere Bitten und unsere Anbetung vor Gott bringen (Mt. 18,19). Nun finden wir einen dritten Punkt (vgl. Mt. 18,20), der zu der Stadt und dem Haus Gottes gehört: Der Herr will in ihrer Mitte sein. Da hat Er Seine Gegenwart verheissen. Da will und muss Er den ersten und den zentralen Platz haben, als Haupt der Versammlung und Herr in der Mitte der Versammelten. Seine persönliche Gegenwart ist der Ausgangspunkt, das Zentrum und der Segen der Versammelten. Von Ihm geht alles aus, um Ihn "dreht" sich alles und Er leitet alles, was getan oder gesagt wird. Auf Ihn sind alle unsere Augen und Herzen gerichtet. Darüber hinaus ist Er der Schutz und die Hilfe der so versammelten Gläubigen, seien es viele oder wenige (V. 6). Auf diese Weise war der Altar des Herrn der praktische Schutz für die in Jerusalem versammelten Israeliten in Esra 3,3. Wenn wir dem Herrn tatsächlich den Platz in der Mitte geben, als Zentrum und Herr, dann gibt es kein Wanken. Wenn wir aber das Ganze nach unseren eigenen Vorstellungen zu regeln versuchen, wird alles ins Wanken geraten. Wenn unlösbare Probleme von innen auftauchen, dann immer deshalb, weil wir nicht wirklich dem Herrn den ersten und zentralen Platz in unserer Mitte gegeben haben, sondern weil Ideen, Traditionen, Personen oder was auch immer eine höhere Bedeutung bekommen haben als unser Herr! Wir mögen das Bekenntnis festhalten, dass Er in unserer Mitte ist, aber das wird dann in der Praxis eher sein wie bei Israel in der Zeit Eli's, als sie die Bundeslade aus der Stiftshütte schleppten und in die Schlacht trugen (1. Sam. 4,1-11). Auf den ersten Blick war der Herr in ihrer Mitte. Aber sie hatten nur ein Symbol, ein Bekenntnis ohne jede Realität, und Gott konnte das nicht anerkennen. Wenn es aber eine Realität ist, dann wird Seine Gegenwart inmitten der Seinen zu ihrer Sicherheit, Hilfe und Segen. Diese Verheißung hat Er uns gegeben, und sie wird bleiben bis "zum Morgen". 


Gottes Hilfe in schwerer Zeit bis zum Morgen (V. 6b) 

"Der Morgen" ist der letzte und gleichzeitig der kälteste Moment vor dem Ende der Nacht. Prophetisch gesehen weist dies auf den Moment in der zukünftigen Drangsalszeit hin, an dem der Herr kommen wird, um die Gläubigen aus Israel zu retten. Bis dahin hilft Er ihnen und trägt sie. Bis Er kommt, können auch wir uns auf diese kostbare Verheißung Seiner Gnade und Hilfe verlassen, um uns zu versammeln und Sein Gedächtnismahl zu halten, bis Er kommt. Auch wenn wir so vieles sehen, das in Aufruhr und Erschütterung ist, nicht nur in der Welt, sondern auch in den Versammlungen, so wollen wir "Sein Wort bewahren und Seinen Namen nicht verleugnen" und "festhalten, was ihr habt" (Offb. 3,8.11). Wenn wir das in Demut und Gehorsam tun, haben wir die Verheißung, dass Gott uns Seine Hilfe und einen Weg zum Weitermachen geben wird, bis Er kommt. 


Die letzte vergebliche Auflehnung der Menschen gegen Gott (V. 7) 

Doch bis zum Anbruch des Morgens geht der Aufruhr in der Welt weiter und erreicht einen Höhepunkt, kurz bevor der Herr eingreifen wird (Offb. 16,14; 19,19). Darauf wird in Vers 7 hingewiesen. Für den Überrest Israels wird dies große Bedrängnis bedeuten (Jer. 30,7; Mt 24,21). 


Gott ist mit uns (V. 8) 

Wie zur Bestätigung der Verheißung Seiner "Hilfe am Morgen" wird der Blick des Gläubigen sofort auf Gott gelenkt, der verspricht, mit den Seinen zu sein als ihre Festung und Zuflucht (V. 8). Gerade inmitten von Not und Sorgen sagt der Herr: Ich bin bei dir, ich kenne deine Lage, ich habe Mitleid mit dir, denn ich bin selbst darin gewesen. In Jesaja 63,9 lesen wir: "In all ihrer Bedrängnis war Er bedrängt, und der Engel Seines Angesichts hat sie errettet; in Seiner Liebe und in Seinem Erbarmen hat Er sie erlöst; und Er hob sie empor und trug sie alle Tage der Urzeit". Dieses kostbare Versprechen Seiner Gegenwart gibt Er Seinem Volk, bevor Er schließlich kommt, um sie zu retten. Das gilt auch für uns! Sein Angesicht wird mit uns gehen (2. Mos. 33,14). Er selbst ist mit uns und geht an unserer Seite in all unseren Nöten (Jes. 43,1-3). Gott ist unsere Festung, unsere Zuflucht, unser Ort der Sicherheit. "Der Name des Herrn ist ein starker Turm, der Gerechte läuft dahin und ist in Sicherheit" (Spr. 18,10). Viele Gläubige haben diese gesegnete Erfahrung gemacht und auch wenn sich ihre Umstände nicht geändert haben, so wurde doch ihr Herz verändert und sie wurden näher zu Gott gezogen. Diese Verheißung schließt diesen Abschnitt ab. Es ist eine Verheißung, die am Ende des Psalms wiederholt wird, um unserem Herzen noch mehr Sicherheit zu geben.
 


Der endgültige Triumph Gottes (V.9-11) 

Die Verse 9-10 zeigen, wie Gott durch die Ankunft des Herrn in Macht und Herrlichkeit schliesslich eingreifen wird. Jesus Christus wird zur bestimmten Zeit wiederkommen, um allen Aufruhr und Widerstand der Menschen zu beenden und die ganze Welt zu richten (V. 9). Seine Stimme wird gehört werden, und sogar die Erde kann davon nicht unberührt bleiben und wieviel weniger wird die schuldige Menschheit Seiner verzehrenden Gegenwart entgehen können (Offb. 1,7; 19,11-16). Was für ein Offenbarwerden von Majestät, Herrlichkeit und Macht wird das sein. Gott wird in der Person Seines Sohnes erscheinen, um alles Böse wegzutun und die Welt in Gerechtigkeit zu richten (2. Thess. 1,6-10; Judas 14-15). Diese Verse sind ein Beweis dafür, dass Gott niemals die Übersicht und Kontrolle verliert. Alles wird schließlich Seiner Absicht dienen. Zu der von Ihm bestimmten Zeit wird Er die Prüfungen des Überrestes aus Israel beenden und sie retten. Er wird dafür sorgen, dass die Kriege aufhören. Er wird endlich echten und dauerhaften Frieden auf der Erde errichten. Der Herr Jesus Christus wird nicht nur die ganze Erde durch Gericht reinigen und Frieden aufrichten, sondern Er wird schliesslich den Platz vor der ganzen Menschheit und der Schöpfung einnehmen, der Ihm zusteht und dessen Er allein würdig ist, weil Er Schöpfer ist und weil Er durch sein Opfer am Kreuz von Golgatha alle Rechte an die Menschen und die Schöpfung erkauft hat. So wird Gott, der Herr der Heerscharen, schließlich auf der Erde erhöht werden, und zwar in der Person Seines Sohnes Jesus Christus, vor dem sich jedes Knie beugen wird (Phil. 2,9-11). Oft müssen auch wir durch schwere Zeiten gehen - doch Gott hat alles in der Hand. Er wacht darüber, dass die Prüfung Gutes in unserem Leben bewirkt, und Er wird sie zu Seiner vollkommenen Zeit beenden. Er hilft uns, sie zu ertragen, damit sie in unserem Leben "die friedsame Frucht der (praktischen) Gerechtigkeit" hervorbringt (Hebr. 12,11). Oder mit den Worten von Jakobus: "Das Ausharren aber habe ein vollkommenes Werk, damit ihr vollkommen und vollendet seid und in nichts mangelt" (Jak. 1,4). Es gibt im Alten Testament ein kostbares Bild von Gott, der als Goldschmied Silber und Gold läutert. Er weiss genau, wie lange der Prozess dauern muss, bis durch und durch geläutertes Gold hervorkommt (Mal. 3,3). Vers 11 kann sich also einerseits auf die Widersacher Gottes beziehen, indem Er sie auffordert, ihren vergeblichen Kampf gegen Gott einzustellen und sich Christus zu unterwerfen (Ps. 2,10-12). Es ist aber auch eine Ermutigung für jeden Gläubigen, still zu sein vor diesem mächtigen Gott (vgl. Ps. 131,2), der selbst die volle Kontrolle über alles hat, was uns betrifft. Er ordnet alles und wird Seinen guten Willen für unser Leben zustande bringen, denn Er liebt uns und sorgt für uns (Röm. 8,28). Wir können absolut sicher sein, dass Gott und Sein Thron nicht erschüttert wird und nie wankt. Er ist der große ICH BIN, der allmächtige Gott. Er ist der feste und unbewegliche Fels. Diese Wahrheit wurde den Gläubigen durch alle Zeiten hindurch immer wieder zum Trost und zur Stärkung (5.Mose 32,4; Hab. 2,20; Ps. 11,4)


 Ein abschließender Trost und Zuspruch (V. 12) 

Schließlich wird die Verheißung des Herrn, mit dem Gläubigen zu sein, wiederholt. Auch wenn die Prüfungen weitergehen und der Sieg Gottes in den Versen 10-11 nur vorweggenommen wird, ergreift der Gläubige mit Freude und Dankbarkeit die Gegenwart und Hilfe Seines Gottes. Lasst auch uns diese Verheißung ergreifen und sie tief in unsere Herzen eingraben, die wir in den Prüfungen so schnell unruhig werden und durcheinandergeraten. Die Verheißungen der Verse 6, 8 und 12 begegnen uns in ähnlicher Form im Matthäusevangelium wieder (18,20; 28,20). Am Ende dieses Evangeliums sagt der Herr Seinen Jüngern, dass Ihm alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist (Mt. 28,20). Dann verspricht Er, bei ihnen zu sein bis zum Ende der Tage. Während in Matthäus 18,20 die Verheißung speziell mit dem Zusammenkommen der Gläubigen zu seinem Namen verbunden ist, ist sie in Matthäus 28 allgemeiner und individueller gehalten. Sie gilt jedem persönlich. Als Gott das Kommen des Messias ankündigte, sagte Er zu Josef, er solle Seinen Namen Emmanuel nennen (Mt. 1,23), das heißt "Gott mit uns". Zwar ist die vollständige Erfüllung der Bedeutung dieses Namens wegen der Verwerfung des Messias bis zu Seinem zweiten Kommen aufgeschoben. Doch der gläubige Überrest wird im Glauben die kostbare Verheißung des Herrn Jesus ergreifen: "Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters" (Mt. 28,20). So dürfen auch wir diese Verheissung durch den Glauben in jedem Augenblick, an jedem Ort und in jeder Situation ergreifen bis Er kommt. Amen, komm Herr Jesus.

Urs Hänseler 8/2022